Freitag, 7. Oktober 2016

Benimm Dich!

Disclaimer 1: Dies ist kein lustiger Text.
Disclaimer 2: Es gibt eine Menge Texte und auch Podcasts, die sich besser mit dem Thema "Nationalsozialistischer Untergrund" kurz NSU auskennen. NSU Watch und dieser Podcast von Wir müsen reden mit DieWucht. Ich erhebe keine Anspruch darauf, mich näher mit dem NSU auszukennen.

Beate Zschäpe hat am 29.09.2016 erstmals selbst eine Erklärung im NSU-Prozess verlesen. Dass sie nicht sprechen kann, war schon zuvor ausgeschlossen, immerhin hat sie mit ihren Anwälten kommuniziert und wohl auch gescherzt. Diese Erklärung wurde in der Öffentlichkeit gemischt aufgenommen, keinesfalls positiv - Sie versucht, ihre Schuld zu verringern, die Erklärung sei dünn. Vor allem aber sei es keine echte Distanzierung vom Rechtsextremismus gewesen, wie Samuel Salzborn analysiert. Ihre Stimme sei leise gewesen, sie habe einen leichten thüringischen Akzent etc. etc. etc. Die Aufmerksamkeit für ihre Person widert mich einerseits an, andererseits lese ich auch. Ich will irgendwas wissen.

Ein Detail ihrer Erklärung hat mich besonders wütend gemacht: Sie beurteile nun Menschen nicht mehr nach ihrer "Herkunft" sondern nach ihrem "Benehmen". Benehmen: wer am Tisch schmatzt oder die Ellenbogen auf der Tischplatte hat, wird fortan von Beate Z. - ja was eigentlich: gerügt, ermahnt, angemeckert - oder erschossen (sollte sie auf freien Fuß kommen)?

Benehmen ist ein Wort, das auf massive soziale Ungleichheiten verweist. Die Erziehung zum guten Benehmen ist Teil einer Abgrenzung von denen ohne Benehmen, Teil des Ausdrucks von Schichtzugehörigkeit und kulturellen Regeln. Wer sich bei Tisch nicht zu benehmen weiß, wer nicht weiß, dass 'man nicht mit vollem Mund spricht' gehört nicht zum kultivierten Kreis derer, die sich zu benehmen wissen. Benimm, das geht über Tischmanieren hinaus. Nicht auf andere mit dem Finger zeigen, angezogen sein, Status kennen und widerspiegeln, Frauen die Tür aufhalten. All das gehört in eine Gesellschaft, in der jeder seinen Platz kennt und einnimmt. Ohne Protest, ohne Widerstand, ohne Aufbegehren gegen die Ein- und Ausgrenzung.

Und ja, das vermute ich: Wenn Beate Zschäpe sich eine Gesellschaft aussuchen könnte, dann würde sie das vermutlich wollen. Dass jeder an seinem Platz ist und nicht mit vollem Mund spricht. Dass alles einer Ordnung folgt, einer totalitären rechten Ordnung. In der, vermutlich nicht versehentlichen, Verwendung des Begriffs Benehmen liegt nicht nur der Hinweis auf dieses Bild sondern nicht zuletzt die Annahme, dass B. Zschäpe es sich herausnehmen könne, andere Menschen zu beurteilen.

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